Immer wieder ist im Unternehmensumfeld mit Blick auf die Kultur die Rede von Werten. Oftmals bestehen sie innerhalb einer Organisation aufgrund einer langen Tradition, sie wurden definiert und im besten Fall immer wieder auf den Prüfstand gestellt. Werte dienen als Entscheidungsgrundlage, als Handlungsorientierung oder Verhaltensmaßstab. Wie aber lassen sich Werte konkret in die Praxis übertragen? Wie schaffen Firmen ein Bewusstsein, das so tief in den Köpfen der Mitarbeitenden verankert ist, dass sie wie selbstverständlich die richtigen Verhaltensweisen an den Tag legen und auf diese Weise dem Unternehmen – intern wie extern – eine erfolgreiche Zukunft ermöglichen?
Zunächst einmal sollte man ja meinen, dass es großen, international aufgestellten Konzernen durchaus schwerfallen dürfte, ein gemeinsames Werteverständnis innerhalb einer Organisation zu verankern. Bringt doch jede(r) Mitarbeitende von Haus aus seine eigenen Prinzipien und Wertvorstellungen mit ein. Zumal über Landesgrenzen hinweg auch noch andere Kulturen, Sitten und Gebräuche eine Rolle spielen und ein Unternehmen respektive die gesamte Organisation beeinflussen. Diese Ausgangslage sollte aber keinesfalls als ein negativer Aspekt zu bewerten sein, sondern im positiven Sinne als ein erstes, dem Konzern innewohnendes Element von Diversität.
Verhaltensmanagement ist Führungsaufgabe
Verfügt ein Konzern über ein solch starkes, diversitäres Fundament, bestehend aus verschiedenen Geschlechtern, Kulturen und Nationalitäten, so führen diese unterschiedlichen Hintergründe und Denkweisen zu neuen Impulsen und machen Organisationen als Ganzes resilienter. Gleichzeitig entwickelt sich auch das Wertegebilde weiter, wobei immer wieder aktiv daran gearbeitet und alle Mitarbeitenden in den Fortschritt eingebunden werden müssen. Es ist zuallererst also auch eine Führungsaufgabe, vorhandene wie angepasste Werte zu verinnerlichen und vorzuleben, die Botschaften mit der tatsächlichen Führung zu vereinen und authentisch in den Dialog mit den Mitarbeitenden einzubauen – getreu dem Motto „Walk the talk“.
Aus einer solchen Führung resultieren dann zwar nicht automatisch, aber doch mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit, Verhaltensweisen („Behaviours“), die den Mitarbeitenden in verschiedenen Arbeitssituationen oder bei Unsicherheit in der Entscheidungsfindung als konkreter Bezugspunkt dienen. Hinzu kommt, dass diese Verhaltensweisen im Gegensatz zu Werten, die eher abstrakt und teils schwer zu greifen sind, beobachtet oder erlernt werden können. Ziel muss es daher sein, sie langfristig in die Unternehmenskultur zu integrieren und bereichsübergreifend zu stärken – etwa mit wiederkehrenden Workshops, über die diversen Kommunikationskanäle, interne Events und im kontinuierlichen Dialog mit den Mitarbeitenden.
Regelmäßige Reflexion und Feedback
Sind erste Erfolge zu verzeichnen, benötigt es Breitenwirkung und Vorbilder. Das gelingt in erster Linie durch ein Zusammenspiel aller innerhalb der Organisation – von Human Resources über die Kommunikationsabteilung bis hin zu den Business-Bereichen. Alle müssen sich mit den definierten Verhaltensweisen identifizieren können, wobei es auch persönlichen Interpretationsspielraum geben sollte. Wichtig ist es daher, dass niemand „zurückgelassen“ wird, das Thema immer wieder aufgegriffen und in den jeweiligen Teams angesprochen und diskutiert wird. Nur durch regelmäßige Auseinandersetzung entsteht das richtige Bewusstsein, die Zusammenarbeit wird gestärkt und es zahlt nachhaltig auf den Unternehmenserfolg ein.
So können Verhaltensweisen auch Thema in Feedbackgesprächen werden oder in die Leistungsbeurteilung miteinfließen. Unter Kolleginnen und Kollegen sowie im Austausch mit Vorgesetzten sollte konstruktives Feedback an der Tagesordnung sein und es nicht an lobenden Worten mangeln. Offensichtliche und regelmäßige Wertschätzung in beiderlei Richtung ist die Grundlage für eine positive und gewinnbringende Zusammenarbeit. Insbesondere auch dann, wenn in einer unklaren, strittigen oder herausfordernden Situation der richtige Verhaltensmaßstab gewählt wird. Ein solches Handeln fördert nicht nur die (intrinsische) Motivation, sondern sorgt auch für eine stärkere Bindung, für Vertrauen, Sicherheit und die Identifikation mit dem Unternehmen.
Langfristige Wirkung durch Werte-Fit
Im besten Fall überträgt sich das interne Verhalten, die Zufriedenheit und berufliche Erfüllung der Mitarbeitenden dann auch auf das Handeln nach außen, spiegelt sich im Kontakt mit Kunden und Geschäftspartnern wider und zahlt auf diese Weise ebenfalls auf den Unternehmenserfolg ein. Die Integration von Verhaltensweisen sorgt also nicht nur intern für einen gewaltigen Schritt nach vorne, auch extern kann es einem Unternehmen zugutekommen: die Bindung zu Geschäftspartnern wird nachhaltig vertieft, die Reputation gefördert und gleichzeitig das Employer Branding gestärkt.
Um einen solchen Reifeprozess im Unternehmen nicht zu gefährden, ist neben der Weiterentwicklung und Stärkung der eigenen Mitarbeitenden auch der Blick auf das Recruiting zu werfen. Je transparenter die eigenen Unternehmenswerte und Verhaltensweisen im Recruiting-Prozess zum Tragen kommen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit auf eine passgenaue Stellenbesetzung. Es kommt heute nicht mehr nur auf die Skills an, die natürlich die Job-Grundvoraussetzung bilden, sondern vermehrt auch auf den Werte-Fit zwischen den Unternehmen und den Kandidaten.
Es lohnt sich also genauer hinzuschauen und sich ebenso aktiv wie intensiv mit der bestehenden Organisation als auch mit potenziell neuen Mitarbeitenden zu beschäftigten. Sie sind und bleiben die Basis für den Unternehmenserfolg.
Dieser Gastbeitrag ist am 2. März 2023 im HR Journal erschienen.