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Rohstoff-Hedging fordert Unternehmen mehr heraus

Altamash Scheik, Senior Commodities Sales bei der SEB in Deutschland, rückt das Thema „Rohstoff-Hedging“ in den Vordergrund und erläutert in der Börsen-Zeitung, vor welchen Herausforderungen die Unternehmen aktuell stehen, wie sie sich strategisch aufstellen müssen und welche Hedging-Strategien – auch mit Blick auf die Zukunftsmärkte – sinnvoll sind. 

Das Jahr 2022 war von sehr hoher Volatilität geprägt, die Märkte in Aufruhr. Zu Beginn schockte der Ukraine-Krieg die Unternehmen, gefolgt von der Energiepreiskrise und den Zinserhöhungen der führenden Zentralbanken. Diese Unsicherheiten beschäftigen die Unternehmen nach wie vor und erschweren den Treasury-Abteilungen auch im Jahr 2023 die Entscheidungen bei der Risikoabsicherung. Auch wenn die Palette an Hedging-Instrumenten stetig gewachsen ist, das Thema bleibt sehr komplex und die Unternehmen sind gehalten, ihre Risikomanagementstrategie immer wieder auf den Prüfstand zu stellen.

Das gilt vor allem für die Rohstoffpreisabsicherung. Rohstoffe machen seit jeher einen bedeutenden Teil der Gesamtkostenbasis von Industrieunternehmen und somit den Großteil der Erträge produzierender Unternehmen aus. Da Marktvolatilität fast schon eine Selbstverständlichkeit ist, besteht für sie ein großer Bedarf, rohstoffbezogene Risiken präzise und auf ihre geschäftlichen Bedürfnisse sowie die finanzielle Situation zugeschnitten zu managen. Auch für Anleger sind die Rohstoffmärkte mit zunehmender Entwicklung immer attraktiver geworden. Sie bieten gute historische Renditen und die Möglichkeit der Risikodiversifizierung.

Die größte Herausforderung dürfte aktuell für die meisten Unternehmen die Rohstoffpreisabsicherung im Energiebereich sein – ganz gleich, ob Konzern oder KMU. Zwar verfügen die großen Firmen und Multinationals in der Regel über ein aktives Hedging-Programm, das auf Devisen, Zinsen und Rohstoffe zugeschnitten ist. Speziell im Mittelstand gibt es jedoch noch reichlich Potenzial, was Hedging-Strategien anbelangt. Oftmals fehlt es dort an den Grundlagen, wobei Einkauf- und Finanzabteilungen viel enger zusammenarbeiten müssen. Das betrifft bei Weitem nicht nur die KMUs, auch bei großen Unternehmen ist eine Verschmelzung beider Bereiche in dieser Angelegenheit grundsätzlich von Vorteil. Der Einkauf kann etwa die Rolle eines Moderators einnehmen und die verschiedenen Abteilungen entlang der Wertschöpfungskette koordinieren.

Unter die Lupe nehmen

In jüngerer Vergangenheit haben vor allem Strom und Gas den Unternehmen die größten Sorgen bereitet, wenngleich es auf den Gasmärkten aktuell etwas ruhiger aussieht. Da jedoch die Auffüllung der Lagerbestände für den nächsten Winter bald beginnen wird, ist mittelfristig mit einer Rückkehr der Volatilität zu rechnen. Beim Hedging am Strommarkt ist es meist so, dass die Volatilität der Strompreise in der Regel zu einem mehrstufigen Preissystem führt. Da kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland tendenziell höheren Stromkosten unterliegen, kann sich das negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit auswirken. Hinzu kommt, dass sie nicht oder nur teilweise von den Ausnahmeregelungen profitieren, die etwa für energieintensive Großkonzerne gelten. Hier gilt es die Hedging-Strategien für die jeweiligen Energieprodukte unter die Lupe zu nehmen und zu optimieren.

Mit Swaps und Optionen ans Ziel

Gerade jene Unternehmen, die bislang wenig bis keine Erfahrungen im Rohstoff-Hedging gemacht haben, können mit den gängigen Instrumenten wie etwa Swaps die gestiegenen Preise absichern. Bei dieser Vereinbarung zwischen mindestens zwei Vertragspartnern werden in der Zukunft liegende Cash-Flows ausgetauscht. Swaps lassen sich sehr individuell vereinbaren und sind für „Anfänger“ daher relativ einfach zu handhaben. Eine weitere Möglichkeit zur Preisabsicherung sind Optionen, wobei der Vorteil darin liegt, dass sich das Risikoprofil im Vergleich deutlich asymmetrischer darstellt. Während der Käufer nur Rechte hat, hat der Verkäufer ab Leistung der Optionsprämie nur Pflichten. Einziger negativer Aspekt: In Zeiten von extrem hoher Volatilität sind auch die Optionsprämien außerordentlich hoch, sodass in der Folge der Preis für die größere Flexibilität für viele Unternehmen ein Hindernis darstellt.

Nicht nur deshalb benötigen die Finanzabteilungen starke Partner, die sie bei der Lösungsfindung aktiv unterstützen können. Im besten Fall bleibt es nicht nur bei der Beratung in Bezug auf die Optimierung der Hedging-Strategie, sondern das betreffende Unternehmen respektive die Verantwortlichen im Treasury stehen auch im fortwährenden und täglichen Austausch hinsichtlich der Liquidität. Zu reduzieren gilt es darüber hinaus vor allem die angestiegene Cash-Flow-Aktivität aus Futures-Kontrakten. Bei diesen Termingeschäften, die an der Börse gehandelt werden und festgelegten Bedingungen unterliegen, liegt der Erfüllungszeitpunkt des Vertrages – wie der Name schon vermuten lässt – erst in der Zukunft. Aufgrund des derzeitigen Marktumfeldes erscheint es für die Unternehmen sinnvoll, Futures-Kontrakte in sogenannte „Over-the-Counter-Derivate“ (OTC) umzuwandeln. Eine immer wichtigere Rolle nehmen dabei auch Handelslinien und eine gestiegene Risikobereitschaft ein. Zudem neigen aktuell viele Unternehmen dazu, mittelfristige Absicherungen zu tätigen – insbesondere auf den Märkten, wo sie eine Rückwärtsbewegung durch Finanzterminkurven sehen.

Zukunftsmärkte im Blick

Mit Blick auf die weiteren Märkte neben dem Energiesektor lässt sich momentan beobachten, dass im letzten Halbjahr 2022 die Aktivität auf den Metall- und Ölmärkten stark abgenommen hat. Das Gros der Marktteilnehmer hat sich auf diesem Feld insbesondere in den ersten Monaten des Jahres 2022 aktiv für die Jahre 2023 bis 2026 abgesichert und beobachtet die Preisentwicklungen vor dem Hintergrund der Inflation. Zugleich konnten sich die angesprochenen Märkte mehr als sonst von der jeweiligen Angebots- und Nachfragesituation entkoppeln und sind in der Folge vollends makroökonomisch orientiert.

Darüber hinaus ist zu beobachten, dass die Unternehmen vor allem in den neuen Märkten – wie etwa Kobalt – vermehrt auf der Suche nach Unterstützung sind. Auch die Entwicklungen auf dem Lithiummarkt haben in den letzten Jahren deutlich an Dynamik hinzugewonnen. Ursächlich hierfür ist vor allem die kontinuierlich steigende Nachfrage im Bereich E-Mobilität. So haben sich die Lithiumpreise seit dem Jahr 2021 nahezu verzehnfacht und erste Absicherungen werden von den Unternehmen abgeschlossen. Bis dies zu einem funktionierenden Derivatemarkt führt, fehlt es aber noch an Liquidität. Nichtsdestotrotz zeigen die unternehmerischen Aktivitäten ein eindeutiges Bild: In Zukunft wird es vor allem um Absicherungslösungen auf den Zukunftsmärken ankommen.

Dieser Gastbeitrag ist am 18. April 2023 in der Sonderbeilage „Corporate Banking“ der Börsen-Zeitung erschienen.