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Konjunktur: Wie entwickelt sich die deutsche Wirtschaft im Jahr 2026?

Pia Fromlet
Dr. Pia Fromlet

Deutschland geht den Weg hin zu einer expansiveren Fiskalpolitik. Erhebliche Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung werden die Defizite erhöhen und damit die Kreditaufnahme in Zukunft steigern. Die längerfristigen Aussichten für eine Beschleunigung des Wachstums sind unsicher. Um es zu beschleunigen, sind Reformen erforderlich, die die Stimmung sowohl bei den privaten Haushalten als auch bei den Unternehmen insgesamt stärken. Eine Einordnung aus nordischer Perspektive von Pia Fromlet, Ökonomin mit Schwerpunkt Euro-Raum bei der SEB.

Nach zwei Jahren mit sinkendem BIP und einer Wirtschaft, die im Jahr 2025 stagniert, muss Deutschland seine konjunkturellen und strukturellen Probleme angehen. Der Industriesektor ist mit hohen Kosten konfrontiert. Hohe Energiepreise, starke Lohnerhöhungen, wachsende Konkurrenz aus China, geringe globale Nachfrage und eine langsame Anpassung an die Elektrifizierung sind die Gründe dafür. Der stärkere Euro hat die Wettbewerbsfähigkeit weiter geschwächt und höhere Zölle dürften die Exporte in Zukunft dämpfen.

Gleichzeitig ist das Produktivitätswachstum gering und die demografische Entwicklung stellt mit einem hohen Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung eine Herausforderung dar. Die zunehmende Unsicherheit und das geschwächte Vertrauen haben dazu geführt, dass die Investitionen seit mehreren Jahren in Folge zurückgehen.

Starker Anstieg der Neuverschuldung

Eine expansivere Fiskalpolitik bedeutet einen Anstieg der Neuverschuldung. Für das Jahr 2026 ist nun von fast 180 Milliarden Euro die Rede – ein Niveau, das seit der Pandemie nicht mehr überschritten wurde. Etwas mehr als die Hälfte der Kreditaufnahme entfällt auf den Kernhaushalt, während etwas mehr als 80 Milliarden Euro auf den Sonderfonds für Infrastrukturinvestitionen, Klima und Verteidigung entfallen.

Die erhöhten Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung dürften erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft haben. Die Experten der SEB gehen davon aus, dass die Investitionen im nächsten Jahr anziehen werden und dass Deutschland an seinem Ziel festhalten wird, die Militärausgaben bereits 2029 auf das NATO-Ziel von 3,5 Prozent des BIP anzuheben.

Im Jahr 2026 werden die Wachstumseffekte der erhöhten Investitionen und Verteidigungsausgaben voraussichtlich 0,7 Prozentpunkte betragen. Danach dürften die Effekte allmählich nachlassen. Dies entspricht beispielsweise der Einschätzung des Kieler Instituts (0,6 Prozentpunkte im Jahr 2026), liegt jedoch über der Einschätzung des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (0,3 Prozentpunkte für 2026). 

Allerdings sind diese Berechnungen mit großen Unsicherheiten behaftet, da sie auf Annahmen sowohl zum Zeitpunkt als auch zur Höhe der fiskalischen Multiplikatoren beruhen. Außerdem bestehen Risiken von Verdrängungseffekten. Der Sachverständigenrat warnte in seinem vergangenen Halbjahresbericht, dass weniger als die Hälfte der Ausgaben aus dem neuen Sonderfonds tatsächlich zu neuen Investitionen führen werden, was wahrscheinlich der Grund für die etwas geringeren Wachstumseffekte ist.

Langsames Wachstum – Strukturreformen erforderlich

Die Gesamtprognose der SEB lautet, dass das deutsche BIP in diesem Jahr im Wesentlichen stagnieren und dann im Jahr 2026 um 1,2 Prozent und im Jahr 2027 um 1,4 Prozent steigen wird. Um das Wachstum jedoch langfristig über 2027 hinaus anzukurbeln, ist mehr als nur eine expansive Fiskalpolitik erforderlich. Es sind umfassende Strukturreformen notwendig, um das Potenzialwachstum anzuheben. Hier steht die deutsche Regierung vor klaren Herausforderungen. 

Angesichts einer alternden Bevölkerung, eines geringen Produktivitätswachstums und schwacher Investitionen sind starke Anstrengungen erforderlich, um die Wirtschaftstätigkeit so zu stärken, dass dies zu mehr Optimismus in der gesamten Wirtschaft und auch bei den Haushalten führt. 

Die Autorin: Dr. Pia Fromlet, Ökonomin mit Schwerpunkt Euro-Raum bei der SEB  | pia.fromlet@seb.se
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