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Gemeinsame Chancen für deutsche und nordische Unternehmen

Pia Fromlet
Dr. Pia Fromlet

In den kommenden Jahren dürfte es die deutsche Wirtschaft laut den führenden Wirtschaftsinstituten aus ihrer langen Schwächephase schaffen. Gemeinsame Geschäftschancen gibt es dabei vor allem für deutsche und nordische Unternehmen, die durch enge Handelsbeziehungen, Investitionen und ihre Präsenz auf den jeweiligen Märkten miteinander verbunden sind.

Die deutsche Wirtschaft ist zwei Jahre in Folge geschrumpft. Sowohl strukturelle als auch zyklische Faktoren wie eine allgemein schwache Nachfrage erklären den Rückgang. Auch in den nordischen Ländern schwächelte die wirtschaftliche Entwicklung in den vergangenen Jahren. Hohe Inflation und steigende Zinsen haben vor allem hochverschuldete und zinssensible Haushalte in Mitleidenschaft gezogen.

Die hohe Abhängigkeit von russischem Erdgas führte zudem dazu, dass die deutsche Wirtschaft von der Energiekrise und insbesondere den hohen Energiepreisen besonders hart getroffen wurde. Zusammen mit den hohen Lohnsteigerungen hat sich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie abgeschwächt. Auch China stellt eine große Herausforderung dar, nicht zuletzt wegen der hohen staatlichen Preissubventionen. Deutsche Investitionen sind wegen der hohen Zinsen und Energiepreise, der schwachen Nachfrage und der Bürokratie seit mehreren Jahren zurückgegangen.

Was die nordischen Länder betrifft, hat Norwegen mit seinen großen Öl- und Gasvorkommen von den steigenden Rohstoffpreisen profitiert. In Schweden sind die Energiepreise nicht so stark wie in Deutschland gestiegen, was zusammen mit der schwachen Krone den schwedischen Exporten zugutekam. Insgesamt haben sich die schwedischen Exporte relativ gut entwickelt. Die Industrie hat zu einem guten Investitionswachstum (ohne Wohnungsbau) in Schweden beigetragen. Auch die finnischen Exporte haben sich verhältnismäßig gut entwickelt.

Gemeinsame Berührungspunkte 

Jahre mit hoher Inflation und steigenden Zinsen haben die privaten Haushalte sowohl in Deutschland als auch in den nordischen Ländern deutlich geschwächt. Trotz steigender Reallöhne und eines robusten Arbeitsmarktes hat sich noch immer kein deutlicher Aufschwung des Konsumentenvertrauens gezeigt. Die schwedische Arbeitslosigkeit ist immer noch hoch, aber nicht ganz so drastisch wie in früheren Krisenjahren. In Finnland dürfte die hohe Arbeitslosigkeit die Konsumnachfrage auch im nächsten Jahr noch bremsen.

Positive Wachstumskräfte für die Zukunft

In den kommenden Jahren gibt es gute Gründe, sowohl für Deutschland als auch für die nordischen Länder, vorsichtig optimistisch zu sein. Frühindikatoren wie der Einkäuferindex (PMI) für das verarbeitende Gewerbe und das Konjunkturbarometer des ifo Instituts sind inzwischen gestiegen, wenn auch auf niedrigem Niveau. Die niedrigere Inflation, die positiven Effekte früherer Zinssenkungen, die expansivere Finanzpolitik und ein widerstandsfähiger Arbeitsmarkt dürften den Konsum in der Zukunft stützen. Auch die Sparquote der privaten Haushalte ist hoch und über dem EU-Durschnitt, insbesondere in Schweden und Deutschland. In den kommenden Jahren könnte ein größerer Teil dieses Geldes zur Steigerung des Konsums verwendet werden.

Darüber hinaus werden steigende Verteidigungsausgaben in den nächsten Jahren einen wichtigen Antreiber für das deutsche und schwedische Wachstum ausmachen. Die Bundesregierung investiert umfangreich in Verteidigung (3,5 Prozent des BIP auf Militärausgaben bereits 2029). Kräftige Stimulanz wird auch von den Infrastrukturinvestitionen erwartet (500 Milliarden Euro, 10 Prozent des BIP, in den nächsten zwölf Jahren). In Schweden hat die Regierung ihrerseits finanzpolitische Reformen im Wert von 80 Milliarden schwedische Kronen für das Jahr 2026 vorgelegt, wovon ein großer Teil steuerliche Erleichterungen für die Haushalte darstellt. Darüber hinaus ist geplant, dass die Verteidigungsausgaben in diesem und im nächsten Jahr um jeweils 27 Milliarden schwedische Kronen steigen werden. Auch in Dänemark gibt es Raum für finanzpolitische Anreize, während die finanzpolitische Unterstützung in Norwegen und Finnland eher nachlässt.

Politik und Wirtschaft gehen Hand in Hand

Die Reformen der Bundesregierung bezüglich Infrastruktur, Verteidigung, Digitalisierung, Bürokratieabbau und Steuererleichterungen für Unternehmen sollen das Wachstum erhöhen. Gleichzeitig gibt es langfristige Herausforderungen, die es zu meistern gilt: Die demografische Entwicklung, da der Anteil junger Menschen an der Bevölkerung niedrig bleibt (die nordische Alterszusammensetzung sieht in dieser Hinsicht etwas besser aus), Reformen des Rentensystems und die Herausforderung, die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu verbessern. Dies belastet die öffentlichen Finanzen mit großen Lücken im Bundeshaushalt (rund 170 Milliarden Euro bis 2029). Die Mobilisierung von privatem Kapital zur Steigerung der Produktionskapazität ist wichtig, um die Wirkung der Finanzpolitik zu optimieren. Die Voraussetzungen für eine expansive Finanzpolitik in Schweden sind gut, da der Anteil der Staatsverschuldung bei nur knapp 35 Prozent des BIP liegt. Für Deutschland liegt der entsprechende Wert bei fast 65 Prozent des BIP.

In diesem Jahr geht die SEB davon aus, dass das deutsche BIP stagnieren wird und dann sowohl 2026 als auch 2027 um knapp 1,5 Prozent zunimmt. Ein bescheidenes Wachstum angesichts der umfangreichen Investitionen, aber das potenzielle (langfristige) Wachstum ist gering, etwa 0,5 Prozent laut der Europäischen Kommission. Die SEB geht zudem davon aus, dass die nordischen Ökonomien in diesem Jahr um 1 Prozent und in den Jahren 2026 bis 2027 knapp über 2 Prozent wachsen werden. Doch die Unterschiede zwischen den nordischen Ländern sind groß. Norwegen und Dänemark sind in den letzten Jahren schneller gewachsen als Schweden, in den Jahren 2026 und 2027 sollte aber die schwedische Wirtschaft anziehen (mit einem Wachstum von knapp 3 Prozent in beiden Jahren).

Chancen für deutsche und nordische Unternehmen

Deutschland ist historisch gesehen ein sehr wichtiger Handelspartner für die nordischen Länder: 10 bis 15 Prozent der nordischen Warenexporte gehen nach Deutschland. Die Entwicklung in Deutschland ist daher wichtig für die nordischen Ökonomien. Der große Investitionsbedarf in Deutschland gibt den nordischen Industrieunternehmen die Chance, ihren Umsatz zu steigern. Umgekehrt gilt das auch für deutsche Unternehmen, die sich in der nordischen Region engagieren. Der nordische Wachstumsschub mit höherem Konsumwachstum, mehr finanzpolitischen Reformen und höheren Verteidigungsausgaben bietet Chancen für deutsche Exporte – insbesondere in einer Welt mit zunehmendem Protektionismus, in der der Handel neue Wege finden muss. Mit ihren knapp 30 Millionen Einwohnern, guten Beziehungen sowie Kooperationen, können sich die nordischen Länder in einer volatilen Welt zu einem noch wichtigeren Handelspartner für Deutschland entwickeln.

Die Autorin: Dr. Pia Fromlet, Ökonomin mit Schwerpunkt Euro-Raum bei der SEB  | pia.fromlet@seb.se
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